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Mittwoch, 30. Mai 2012

Himmel und Hölle 29.05.12

Ja, so kann's gehen. Da bereitest du dich intensiv darauf vor, am Morgen den "alten Grantler zu geben" und dann gibt es plötzlich dafür keinen Grund mehr. Die Rechnung passt, die Rezeptionistin ist freundlich und überhaupt sind wir als Europäer im Hotel sowohl bei Gästen als auch beim Personal  Exoten und damit "Sightseeingobjekte". Du spielst ein bisschen mit und schon tragen andere Hotelgäste unser Gepäck zum Auto.

In bester Stimmung brechen wir auf, finden einen Bankomaten, der nicht funktioniert, dann noch einen dieser Art. Wir begegnen einem Taxifahrer, der sowohl den Weg aus der Stadt erklären kann als uns auch die nächste funktionierende Geldmaschine zeigt.

Atyrau ist eine Stadt im Aufbrauch. Es wird heftig und modern gebaut, neue Stadtautobahnen wachsen, im Zentrum hohe Verkehrsdichte. Die Stadt profitiert offensichtlich auch vom Ölboom. Den Firmensitz von Halliburton in Atyrau haben wir durch Zufall entdeckt: Am Ende einer Sackgasse.

In der Steppe werden Rohre für die Pipelines verlegt. In der kargen Landschaft führen Wegweiser zu den nummerierten "Sidings" (englisch zu lesen oder zu sprechen) - Bohr und/oder Förderstellen? Hin und wieder austrockenende Salzpfannen. Ein Erdmännchen, das am Straßenrand auf den Hinterbeinen sitzt, wird vom Luftzug eines LKW umgerissen und ins Steppengras gewirbelt. Das Tierchen dürfte seine Unvorsichtigekeit überlebt haben.

Wir nähern uns Kulsary. Auch hier ist der Bauboom erkennbar. Offenbar profitiert aber nicht jeder hier vom Ölreichtum. Viele kleine Bauerngehöfte haben nach wie vor keinen Stromanschluss.

Ab Atyrau ist die Straße perfekt und soll so bis Beyneu sein, immerhin mehrs als 450 km. Wir fühlen uns im Autofahrerhimmel. Häufig ziehen kleine Luftwirbel über die baumlose Landschaft. Sie haben etwas Koboldhaftes. Weniger koboldhaft sind die langen Eisenbahnzüge, die überwiegend Tankwaggons schleppen.

Am Ende der langen Geraden liegt Beyneu. Schwer zu sagen, ob es tatsächlich der trostlose Ort ist, von dem manche Reiseführer schreiben. Die Tankstellen sind staubig und es felht ihnen ... Diesel! Wir brauchen ihn notwendig. Durch beharrliches Fragen und suchen finden wir schließlich eine Tankstelle, die Diesel führt. An der Zapfsäule ist am kleinen Zählwerk nur die Literzahl abzulesen. Wir tanken, bis meine Hände aussehen, als hätten sie ein Dieselbad genommen, und errechnen gemeinsam mit der Tankwartin auf einem Schmierzettel den Gesamtpreis. Jetzt riechen wir, dass hinter uns eine Gruppe von Kamelen vorbei zieht, bevor wir die Tiere hören und sehen.

Aktau? Nach Osten! Flott geht es los, die Straße verengt sich, wir stehen vor den Toren eines Militärflugplatzes. Der Wachsoldat erkennt uns als harmlose Leute und zeigt uns: die Parallelstraße ist zu nehmen! In Sichtweite zur Kreuzung eine hochmoderne Tankstelle:  neue Zapfsäule und - wie zu erwarten - ist der Diesel hier um knapp 20% billiger. Wir treffen einen Russen, der zwar sein Ziel Nukus in Usbekistan kennt, aber den Weg dorthin nicht und nicht finden kann.

Es ist 16.15 Uhr und wir haben noch rd. 500 km bis Aktau. Eine ewig lange Baustelle, noch eine und noch eine. Dann gibt es keinen Asphalt mehr. Feiner Staub bedeckt die tiefen Schlaglöcher, bisweilen reiten wir über "Wellblech". Das richtige Maß zwischen Vorsicht und Geschwindigkeit ist schwer zu finden.   

Inzwischen sind wir wieder im Nichts unterwegs. Die einzige Änderung erfährt die Fahrbahn: Sie wird immer schlechte. Als der Straßenzustand unerträglich wird und beinahe zu Schritttempo zwingt, weichen wir auf eine der zahlreichen Sandspuren in der Steppe aus. Im tiefen Sand fährt es sich am angenehmsten. Ich muss nur höllisch aufpassen, dass ich keine Querrille oder -furche übersehe. Das könnte übel ausgehen.

Die wenigen entgegenkommenden Autos sind ünübersehbar, sie ziehen hunderte Meter lange Staubfahnen nach sich. Der puderartige Staub ist manchmal zu kleinen Wällen aufgeworfen. Da müssen wir durch - eine Staubfontäne über die Windschutzscheibe nimmt uns kurz die Sicht. Wir sind schon einige Zeit unterwegs, da beginnt wieder der Asphalt. Ich rechne aus, dass wir gegen 1.00 Uhr in Aktau sein werden.

So richtig kann ich meine Prognose nicht genießen, denn schon nach wenigen Kilometern endet der Asphalt erneut. Das versetzt der bereits angeschlagenen Psyche einen gewaltigen Hammerschlag. Wr weichen wieder auf die sandigen Spuren aus. Die tief stehende Sonne zeichnet lange Schatten in den Sand. Ein Vorteil, denn jetzt ist die Piste besser "lesbar". Auch im Scheinwerferlicht sieht alles nicht so schlimm aus.

Gegen 24.00 Uhr - es sind noch 250 km nach Aktau - siegen Vernunft und Müdigkeit. Herunter von der Straße, vielleicht 100 m hinein in die ebene Steppe. Der Duster wird zum Liegewagen! Der Mond wirft ein fahles Licht ...

1 Kommentar:

  1. Liebe Parentes!

    Das klingt ja wirklich abenteuerlich. Bin schon gespannt, wie's weitergeht ... hoffentlich ohne ungeplante Übernachtunen in der Steppe. Das wäre für uns daheim beruhigender.

    Ich rüste mich in Piesting gerade für den morgigen Polteraend von Bernd (auf einer Hütte in den Salzburger Bergen). Zwar nicht ganz so abenteuerlich wie in Kasachstan, aber doch etwas abseits der Zivilisation.

    Bussi Thomas

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