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Dienstag, 22. Mai 2012

Es läuft ...

Es ist gar nicht so einfach gewesen, nur wenige Tage nach Eröffnung  der "Tibet"-Ausstellung aufzubrechen Richtung Zentralasien. Das Wissen um die Verlässlichkeit unserer Kulturama-Aktiven hat allerdings bei mir kein schlechtes Gefühl aufkommen lassen.

Das Bemerkenswerte an der Fahrt in den äußersten NO Ungarns ist, dass nichts Bemerkenswertes zu erzählen ist. Der Straßenzustand ist perfekt, die Verkehrsdichte hält sich in Grenzen. Selbst die Fahrtdauer durch das Budapester Zentrum ist gering. Wir kommen am späten Nachmittag in der Stadt "Ich-will-mir-den-Namen-gar-nicht-merken-oder-ihn-aussprechen-oder-schreiben-müssen" in Grenznähe an, übernachten gut und machen uns auf den Weg zur ukrainischen Grenze.

Grenzen erlebe ich immer mit Unbehagen. Mit dem Befürchtung, etwas könnte nicht in Ordnung sein, bemühe ich mich um möglichst natürliches Verhalten - was immer das sein mag - dem Grenzpersonal gegenüber, um vielleicht gerade deshalb aufzufallen.
Nach den vorjährigen Grenzerfahrungen auf der Krim, wo wir lange in der prallen Sonne haben warten müssen, fasse ich also die besten Vorsätze - von Freundlichkeit bis zu Geduld. 

Ungarns Außengrenze ist rasch erledigt. Die ukrainischen Grenz- und Zollbeamten behandeln uns bürokratisch-freundlich und sehr korrekt, der Dacia Duster wird kontrolliert und begutachtet, schließlich für gut befunden: Es kommen sogar einige positive Privatmeinungen zu diesem Modell.  Einen schimpfenden Einheimischen, dem alles zu langsam geht, bringe ich durch eine "Gelbe Karte" zum Schweigen, was die Grenzer schmunzeln lässt. Alles passt! "Auf Widderrrsähn!" Wir dürfen fahren. Ich weiß: An der nächsten Grenze werde ich mich wieder unbehaglich fühlen, obwohl alles in Ordnung ist.
 
Deutlich erkennbar ist, dass es vielen Ungarn in der EU besser geht als vielen Ukrainern
außerhalb der EU. Wir fahren durch endlos lange Straßendörfer, Schlaglöcher verhindern höhere Geschwindigkeiten, verbergen sich häufig im Schatten von Bäumen. Die Landschaft strotzt geradezu von Fruchtbarkeit. Mit riesigen Plastik-Gewächshäusern tauchen auch Erinnerungen an Andalusien auf. Erleidet hier in dieser Region der Ukraine die Landschaft ein ähnliches Schicksal wie beim spanischen Almeria?

An den Bushaltestellen geht es bisweilen ziemlich laut zu. Die Menschen unterhalten sich lautstark, allerdings wenig mit den Nebenstehenden. Sie führen via Mobiltelefon Ferngespräche mit unsichtbaren Partnern. Erdbeeren anbietende Bäuerinnen sitzen am Straßenrand. Bevorzugte Gesprächspartner: das Handy. Hinter aufgetürmtem Obst bearbeiten zwei betagte Damen gemeinsam ein Mobiltelefon. Wie aus dem Lehrbuch: Der rechte Arm muss abgewinkelt sein, Hand + Telefon am Ohr. Um Ermüdungserscheinungen vorzubeugen, wird die linke Hand zur Unterstützung unter das rechte Ellbogengelenk geschoben. Schief gelegter Kopf bedeutet "Ich habe zum Telefonieren keine Hand frei" - Das Telefon ist zwischen Ohr und Schulter eingeklemmt. Und beim Autofahren gibt es ohnehin keine Freisprecheinrichtung.

Was das alles speziell mit der Ukraine zu tun hat? Wenig, wir haben es heute nur sehr häufig gesehen, haben uns an unser eigenes Land erinnert gefühlt.

Wir fahren die Grenze zu Rumänien entlang, bevor wir durch die ukrainischen Karpaten nach Norden abbiegen. Eine wunderschöne Landschaft. Unerwartet einige Schneefelder auf den Bergen. Auf über 1000m über NN Schilifte und unzählige neue Hotels, die sich in die Strukturen der traditionellen Dörfer hinein zwängen. Die alten (Holz-)Häuser sind teilweise noch gut erhalten. An den Berghängen sind viele Bauten ohne Straßenanbidung.
Noch kann man das Originäre erkennen.

Die Ausläufer der Karpaten bleiben zurück. Dorf reiht sich an Dorf. Im Ortsgebiet sind 60 km/h zulässig. Mehr als gefühlte 100  Kilometer  "Dörfer"" werden zu einer kleinen Ewigkeit. Die einzelnen Gemeinden scheinen im Wettstreit zu liegen, wer die schönere orthodoxe Kirche mit den glänzendsten Kuppeln baut. Aus der Ferne wirken die Kuppeln wie silbrig glänzende Christbaumkugeln.

Und wie in einigen Dörfern Rumäniens stehen auch hier entlang der Straße riesige Paläste - schlossähnlich, Türmchen an Türmchen, viele Stockwerke hoch - Cinderella's Castle? Prunkvolle Metallzäune zum Abgrenzen der Reviere. Im Ausland arbeitende Ukrainer investieren hier ihr erarbeitetes Kapital. Und wie in Rumänien sind hier viele dieser"Paläste" noch lange nicht bezugsfertig. Es sollen in diesen Dörfern nur wenige Männer leben, weil die meisten männlichen Dorfbewohner im Ausland arbeiten. Zufall oder nicht: Wir haben wesentlich mehr Frauen als Männer gesehen.

Nach 21 Uhr erreichen wir unser Tagesziel: "Ich-kann-den-Namen-der-Stadt-nicht-einmal-schreiben". In der Vorsaison sind die Zimmerpreise niedrig. So leisten wir uns ein Hotel mit mehreren Sternen.


3 Kommentare:

  1. Weiterhin gute Fahrt und viele schöne Erlebnisse. Zu Hause ist alles in Ordnung. LG Heidi

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  2. Lieber Ernst!
    Freue mich für euch, dass soweit alles gut ist, bin schon wieder mitten im Alltag angekommen. Und gelinde gesagt doch etwas überrascht, dass ich für eine Führung eingeteilt bin, ohne davon zu wissen.Habe nämlich Bürgermeisterkonferenz und soll um 17.30 gleichzeitig eine Führung machen??!! Aber weil ich noch eine gewisse Relaxtheit in mir verspüre werde ich wie immer alles hinkriegen:)
    lg dagmar

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  3. Liebe Gerlinde, lieber Ernst.
    Finde eure Einträge sehr spannend und interessant.
    werde sicher eure Reise auf diesem Weg genau verfolgen.
    Wünsche euch noch viele nette Begegnungen, tolle Erlebnisse,
    lg Gusti Hohensinner

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