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Samstag, 26. Mai 2012

Grenze - Wolgograd

Lugansk: Am Morgen gehe ich noch einmal in mich, versuche vor dem Badezimmerspiegel ein paar Lockerungs-hilfloses Lächeln-Übungen für den Grenzübertritt. Hilflosigkeit beim Ausfüllen von Formularen zu zeigen, das muss ich nicht üben. Niemand ist schlechter in diesem Fach der Bürokratie. Mit fortschreitendem Alter werde ich sogar stolz darauf.

Zusätzlich fasse ich den festen Vorsatz, an der Grenze freundlich zu bleiben. Das wird wie ein Hexenkreuz vor Unannehmlichkeiten bewahren!

Es regnet. An der Grenze ist wenig los. Die ukrainischen Grenzer sind bürokratisch korrekt, auch ein wenig neugierig, wohin unsere Reise führen soll. Relativ rasch ist die Ausreise geschafft. Ich schaffe es, den ersten russischen Kontrollposten nicht zu übersehen (wie im Vorjahr), finde auch den Weg zur Immigration-Card (wie immer das Zettelchen im Russischen auch heißen mag.). Die Pässe und das Auto sind kontrolliert, das eine oder andere harmlose Scherzchen wechselt den Besitzer, die Beamtinnen sind mit Freundlichkeit versorgt.

Alles ist also ok - glaube ich. Da kommt von russischer Seite die letzte Anweisung: Die Zolldeklaration muss noch ausgefüllt werden. So muss zumindest das Fegefeuer sein: Ein höchst korrekter Beamter zeigt meine bürokratischen Schwächen knallhart auf: hier fehlt ein x, dort ebenfalls, ... und die Leerzeilen für das Auto sind noch immer leer! Dazu regnet es wieder und kalter Wind ist aufgekommen.

Nach mehrmaligem Anstellen am Schalter scheint mir das Formular vollständig ausgefüllt.
Der Beamte muss die Daten aus dem Zulassungsschein in den PC tippen. Als er die Tellerkappe abnimmt und sich mit den Fingern durchs Haar fährt, ... Nicht nur ich habe es schwer mit der Bürokratie. Allerdings habe ich es zwischendurch auch geschafft, mich mit einheimischen Grenzgängern über Tanktourismus, Autos, fremde Sprachen und ferne Länder zu unterhalten, ohne der Landessprache mächtig zu sein.

Nach nur 1,5 Stunden haben wir den Grenzübertritt tatsächlich geschafft. Ich habe zwar wieder mehrere bürokratische Tiefschläge einstecken müssen, die Formulare aber habe ich letztlich doch besiegt! Und wir werden nie erfahren, wozu sie gut sind!

Auf der sehr guten Straße Richtung Wolgograd sind wir längere Zeit beinahe allein unterwegs. Als die Autos mehr werden, erhöht sich schlagartig das Tempo. Beinahe hätte ich es vergessen: Wir sind in Russland. Viele Autos sind hier schneller, größer, teurer als in der Ukraine. Auch das Selbstbewusstsein der Fahrer scheint stärker ausgeprägt zu sein.

"Gemüse aus Hamburg" - ein Uralt-LKW aus Deutschland darf hier noch fahren. Mein Erziehungsversuch an einem russischen Lenker, der uns mit einem halsbrecherischen Überholmanöver zum scharfen Bremsen zwingt, scheitert kläglich. Meine mehr als eindeutigen Zeichen mit den Händen finden keine Beachtung.

Die Schlechtwetterfront endet kurz vor Wolgograd. Gut, dass wir noch in der Ukraine per Internet ein Hotel etwas außerhalb der Stadt gebucht haben. Das Navi agiert wieder sehr selbstbewusst, führt uns an die eingegebene Adresse. Stimmt exakt, nur wo ist das Hotel?
Einheimische sind rasch zur Stelle. Keiner kennt das Hotel, aber die Handys, über die wir in der Ukraine noch geschmunzelt haben, werden helfen.

Also gleich beim Hotel anrufen. Niemand hebt ab. Die Männermannschaft rätselt und beratschlagt, bis eine Frau mittleren Alters mit dickem SUV ankommt. Sie nimmt Gerlinde mit ins Haus, der Sohn lässt sein Handy übersetzen:"Mam bringt Sie mit dem Auto zum Hotel". Mam fahrt 25 km mit uns durch die Stadt, findet das Hotel und muss sofort wieder zurück. Noch ein freundliches Hupkonzert zwischen Duster und deutschem Riesen-SUV.

Das Hotel ist modern eingerichtet, das Personal sehr zuvorkommend und hilfsbereit, WIFI auf allen Ebenen - zumindest steht es so geschrieben im Buchungsportal. Der Security-Code ist einfach, die Verbindung zum Rooter ist da, allerdings nicht zum Internet. Und so bleibt es auch. Keine Vorbuchung des Hotels in Astrachan möglich. Was soll's, wir waren schon dort und werden auch wieder hinfinden.


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